Wann wird geklickt? Die Psychologie hinter Web-Design und dem Nutzerverhalten (TEIL 1)

Wie muss ich meine Webseite aufbauen, damit sie für Besucher attraktiv ist und  meine Gäste auch motiviert sind zu bleiben? Auf was muss ich achten, damit  ein Interessent die von mir definierte Zielaktion ausführt (ein Produktkauf beispielsweise)? Wie funktionieren Menschen, wenn sie online Entscheidungen treffen müssen? In diesem Blogbeitrag möchte ich 10 Grundsätze vorstellen, die bei der Beantwortung solcher und ähnlicher Fragen helfen können.

Im ersten der zwei Teile behandle ich die ersten fünf Punkte:

  1. Menschen sind soziale Tiere
  2. Die meisten Entscheidungen treffen wir unbewusst
  3. Menschen orientieren sich an anderen, wenn sie sich in einer Entscheidung unsicher sind
  4. Menschen entscheiden im Bruchteil einer Sekunde, ob sie Ihrer Webseite vertrauen oder nicht
  5. Was Menschen motiviert

Die Menschen sind soziale Tiere

Wir sind immer etwas überrascht, wenn eine neue Technologie aufkommt, mit der wir  miteinander kommunizieren und interagieren können. MySpace, Facebook  und Twitter  – um nur einige zu nennen – waren neu und haben uns zunächst überrascht und verunsichert. Der erste Gedanke war wohl: Für was braucht man so etwas? Warum sollten Leute so etwas nutzen wollen? Nachdem man sich aber etwas damit beschäftigt hat. wurden diese neuen Technologien und Anwendungen unglaublich schnell angenommen und von Millionen von Menschen zum Bestandteil des täglichen Lebens.

Man darf nicht unterschätzen, wie wichtig es für uns Menschen ist „sozial“ zu sein. Man vergisst häufig, dass wir „soziale Tiere“ sind, die alles in unserer Umgebung nutzen, um in irgendeiner Form sozial zu interagieren.

Alle Interaktionen, die online durchgeführt werden sind soziale Interaktionen

Wir haben bestimmte Erwartungen an die Interaktion mit anderen Menschen. Es gibt gewisse Regeln und Richtlinien, wie man mit anderen umgeht. Werden diese gebrochen, fühlen wir uns unwohl. Das kann man auch auf Online-Interaktionen übertragen. Wenn wir eine Webseite besuchen oder eine Anwendung nutzen, haben wir eine Annahme, wie diese reagieren soll. Wenn eine Webseite nicht ansprechbar ist oder zu lange braucht, um zu laden, ist das so, als wenn unser Gegenüber uns nicht ansieht oder ignoriert. Wenn eine Webseite uns bereits auf der Startseite nach persönlichen Informationen fragt, ist das so, als wenn ein Fremder zu persönlich wird. Wenn eine Webseite sich nicht die Informationen merkt, die wir gerade eingegeben haben, ist das so, als wenn eine Person vergessen hat uns zu kennen.

Wie man sehen kann sind nahezu alle Interaktionen, die wir online durchführen mit dem sozialen Verhalten im richtigen Leben erklärbar. Behalten Sie bei der Gestaltung Ihrer Webseite und deren Nutzerschnittstelle diese Tatsache im Hinterkopf.

Die meisten Entscheidungen treffen wir unbewusst

Häufig sehen wir uns als Wesen, die rational handeln und Entscheidungen (welche Webseite wir besuchen oder welches Produkt wir kaufen) treffen, die einem logischen Gedankengang gefolgt sind.  Jüngste Studien zeigen, dass das meistens nicht der Fall ist. Die meisten Entscheidungen werden unbewusst getroffen. In den letzten 15 Jahren wurden viele Studien zu diesem Thema durchgeführt und man fand heraus, dass das Unterbewusstsein eine große Rolle bei der Entscheidungsfindung spielt. Unser Gehirn ist ständig Millionen von Informationen ausgesetzt, welche automatisch verarbeitet werden und zu unbewussten Entscheidungen führen. Uns ist es meistens nicht einmal bewusst, wenn wir gerade eine Entscheidung getroffen haben.  Genau dieser Mechanismus steuert, ob wir uns dazu entscheiden, einen „Jetzt kaufen“-Button anzuklicken oder einen Link zu folgen. Wenn wir also einen Besucher dazu bringen wollen zu klicken, müssen wir das Mittelhirn ansprechen, wo die emotionale Komponente sitzt. Um Aufmerksamkeit zu bekommen, muss der älteste Teil des Hirns (Stammhirn) angesprochen werden, welcher Dinge nach den primären Bedürfnissen bewertet (Kann ich das essen? Kann ich mich damit fortpflanzen? Ist das gefährlich?).

Hier einige Tipps, was im Bezug auf Ihre Webseite zu beachten ist:

  • Das „alte Hirn“ scannt ständig die Umgebung nach Essen, Sex, und Gefahr ab. Das sind also Reize, auf die unbewusst reagiert werden. Jegliche Abbildungen von Nahrung, attraktiven Personen oder angsteinflößenden Situationen werden zwangsläufig unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Das gleiche gilt für Bewegung (Animationen).
  • Wenn man die Aufmerksamkeit aber länger als nur einige wenige Sekunden halten möchte, so muss man das Mittelhirn beschäftigen. Das kann man mit packenden Geschichten oder Bilder von Leuten und deren Gesichter tun. Eben alles, was emotionalisiert.
  • Menschen nehmen Informationen am besten auf, wenn sie in eine Geschichte verpackt sind. Nutzen sie also so häufig wie möglich Geschichten, auch wenn es nur kleinere Beiträge sind.
  • Bilder mit anderen Menschen werden häufig beachtet. Besonders, wenn attraktive Menschen abgebildet sind, die auch noch ein ähnliches Alter, einen ähnlichen Kleidungsstil oder sonstige ähnliche Charakteristika wie man selbst, haben.
  • Am besten funktionieren Bilder, auf denen die Leute direkt in die Kamera gucken. Man sollte aber auch darauf achten, dass die Abbildungen nicht zu klein gewählt werden. Man sollte das jeweilige Gesicht gut erkennen können.
  • Auch wenn die meisten Entscheidungen unbewusst getroffen werden, braucht ein Mensch Gründe, die er als Rechtfertigung für sich selbst und andere braucht. Die rationale Begründung ist nicht immer auch die tatsächliche, aber es ist für den Entscheider wichtig seine Entscheidung verargumentieren zu können.  Stellen Sie also sicher, dass  Sie überzeugende Argumente bereithalten, warum man Ihr Produkt kaufen sollte, Ihren Service oder Anwendung nutzen sollte.

Menschen orientieren sich an anderen, wenn sie in ihrer Entscheidung unsicher sind

Ein typisches Verhalten, welches Menschen an den Tag legen, wenn Sie eine Entscheidung treffen, ist auf andere zu schauen. Man nennt dieses Verhalten „social validation“ (soziale Bestätigung). Frei nach dem Motto, wenn tausende Leute  das Produkt XY kaufen, muss es ja gut sein. Man orientiert sich an der Kaufentscheidung anderer und kauft das Produkt dann selbst. Zu diesem Phänomen wurden ebenfalls viele Studien durchgeführt (vgl. Latane, Bibb & Darley, John M. „The Unresposive Bystander“ Upper Saddle River, NJ. Prentice Hall; 1970).

Stellen wir uns folgenden Sachverhalt vor: Eine Gruppe von Leuten wird unter einem Vorwand (Ausfüllen eines Fragebogens) zusammen in einen Raum gebracht. Die Zusammensetzung und die Anzahl der Probanden werden variiert, um soziale Verhaltensmuster zu erforschen. Es sind aber immer auch Eingeweihte beteiligt, die Impulse geben.

Während  die Gruppe vertieft an dem Fragebogen arbeitet wird durch den Lüftungsschacht der Klimaanlage Rauch eingeführt. Den Menschen in dem Raum ist zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt, ob der Rauch gefährlich ist, ob es ein Brand gegeben hat oder ob die Klimaanlage einfach nur eine Fehlfunktion hat. Jetzt ist es interessant zu sehen, wie sich die Leute verhalten. Ob und wie sie den Raum verlassen, ob sie den anderen bescheid sagen oder ob sie den Rauch zunächst ignorieren. Das Ergebnis ist davon abhängig, wie viele andere Leute noch in dem Raum waren.  Überraschend hierbei ist, dass je mehr Leute im Raum den Rauch ignorierten, desto eher waren die anderen auch dazu verleitet, den Rauch ebenfalls zu ignorieren. Wurde der Raum allerdings mit nur einem Probanden besetzt, so verlies dieser den Raum sofort, um zu melden, dass etwas mit der Lüftung nicht stimmt. Reagieren die Menschen um einen herum nicht, so ist man selber ebenfalls gehemmt etwas zu unternehmen.

Auf die Online-Welt lässt sich dieses Experiment bzw. das Verhalten des „social validation“ ebenfalls übertragen. Hier sind es Bewertungen, Erfahrungsberichte und Rezessionen, die wir zur Überprüfung unserer eigenen Entscheidung heranziehen und die uns maßgeblich beeinflussen. Wenn wir uns in einer Entscheidung unsicher sind, orientieren wir uns sehr häufig an eben solchen Bewertungen und Testemonials, die andere abgegeben haben. Starke und gute Bewertungen, Erfahrungsberichte oder Testemonials haben einige Schlüssel-Eigenschaften gemeinsam:

  • Es werden mehr Informationen bereitgehalten, als nur eine Wertung auf einer Skala.  Je detaillierter ein Erfahrungsbericht ist, desto häufiger wird diesem auch geglaubt und vertraut.
  • Ein Erfahrungsbericht erzählt immer auch eine Geschichte über das Produkt oder die Dienstleistung, die in Anspruch genommen wurde. Geschichten können sehr mächtig sein, da sie mit ihrer emotionalen Komponente unser Mittelhirn ansprechen
  • Wenn Sie Leute davon überzeugen wollen eine bestimmte Aktion auszuführen sollten sie positive Bewertungen, Erfahrungsberichte oder Testemonials unbedingt einbeziehen.

Menschen entscheiden im Bruchteil einer Sekunde, ob sie ihrer Webseite Vertrauen schenken

In dem Moment, indem ein Besucher auf Ihre Webseite kommt, hat er bereits eine (unbewusste) Entscheidung getroffen, was er von der Webseite hält, ob er sie mag, ob er verweilt oder wieder wegklickt oder ob er den angebotenen Informationen vertraut oder nicht. Nach einer Theorie von B.J. Fogg (vgl. Fogg, B.J. „Prominence-Interpretation Theory: Explaining How Peaople Assess Credibility Onlin.“ Conference on Human Factors in Computing Systems. CHI: 2003) ist das Vertrauen in eine Webseite sowie die Glaubwürdigkeit stark abhängig von oberflächlichen Aspekten des User-Interfaces (Nutzerschnittstelle, Anwendungsoberfläche). Hier möchte ich einige Faktoren aufzählen, die die Vertrauenswürdigkeit einer Webseite herabsetzen können:

  • Der Text ist nicht ausgerichtet oder ungeordnet. Zentrierter Text und fehlende klaren Abstände fördern das Misstrauen.
  • Es werden zu viele unterschiedliche Schriftarte und -größen verwendet oder der Text ist in vielen unterschiedlichen Farben dargestellt.
  • Eine Seite hat  zu viele Informationen auf einmal. Die Seite wirkt überladen und unordentlich.
  • Die Seite hat zu viele (amateurhafte, in die Jahre gekommene) Animationen. Bewegungen ziehen zwar die Aufmerksamkeit auf sich, aber man muss aufpassen, dass man solche Elemente mit Maß einsetzt, um nicht einen unseriösen Eindruck zu hinterlassen.
  • Es werden zu viele unterschiedliche Farbflächen verwendet, die auch noch unkoordiniert in keinem einheitlichen Farbschema  angewendet werden.

Wenn Ihre Webseite als vertrauenswürdig wahrgenommen werden soll, vermeiden Sie also diese Punkte und halten sich an gewisse User-Interface-Richtlinien. Hier ist ein einheitliches Erscheinungsbild oberste Disziplin. Vermeiden Sie Inkonsistenz, was auf Ihre Nutzer unbehaglich wirken kann oder Sie als nicht ernstzunehmend abstempelt. Man hat nicht viele Gelegenheiten, das Vertrauen eines Nutzers zu gewinnen, also sollte man es besser beim ersten Versuch richtig machen.

Was Menschen motiviert

Menschen brauchen Erfolgserlebnisse, um motiviert zu bleiben. Sie müssen spüren, dass Sie die Kontrolle behalten. Wie motivierend dieses Kontrollgefühl für jemanden sein kann, bzw. wie demotivierend es für jemanden ist, wenn er diese Kontrolle verliert, hat Daniel Pink in seinem Buch „Drive“ bereits treffend beschrieben (vgl. Pink, Daniel. „Drive“ Riverhead: 2009). Das Anhäufen von Wissen und das Aufbauen von Fähigkeiten in einer bestimmten Disziplin sind ebenfalls essentiell für die Motivation. Man muss Fortschritte sichtbar machen!

Über solche allgemeine Motivationshilfen hinaus haben Ran Kivetz, Oleg Urminsky und Yuhuang Zheng  erforscht, was die Motivation von Besuchern auf einer Webseite fördert. (vgl. Ran Kivetz, Oleg Urminsky und Yuhuang Zheng  „The Goal-Gradient Hypothesis Resurrected: Purchase Acceleration, Illusionary Goal Progress, and Customer Retention“ in Journal of Marketing Research, 39 Vol. XLIII [Februar 2006]: Seite 39-58).

Unter anderem haben Sie das Nutzerverhalten von Anwender eines Song-Bewertungs-Portals ausgewertet und herausgefunden, dass die Nutzer regelmäßiger kamen und mehr Songs bewertet haben, je näher Sie dem Ziel/der Belohnung (bewerte 50 Songs und bekomme einen gratis Song-Download o.Ä.) gekommen sind. Dieses Verhalten nennt man „goal-gradient“-Effekt und wurde erstmals von Hull 1934 an Ratten erforscht. Ratten die darauf trainiert waren durch ein Labyrinth zu laufen, um Essen zu finden, rannten schneller, je näher sie dem Ende des Labyrinths kamen. Man kann also sagen, dass die Aktivität zulegt je näher wir einem Ziel kommen. Diese Dinge sollte man sich zu diesem Verhaltensmuster merken:

  • Je kürzer die Entfernung zu einem vorgegebenen Ziel ist, umso motivierter werden die Leute sein, dieses auch zu erreichen.
  • Ein Motivationsschub kann man allein mit dem Anschein, dass ein Fortschritt gemacht wurde, anstoßen.
  • Unmittelbar nach dem das Ziel erreicht wurde stürzt die Motivation ab. Das größte Risiko einen Kunden zu verlieren ist es, unmittelbar nachdem er seine „Belohnung“ erreicht hat.

Eine Aufgabe bewältigt zu haben, löst in gewisser Weise ein Glücksgefühl in uns aus.  Das ist auch ein Grund warum das Computer-Gaming so beliebt ist. Leute werden besessen davon, ein Level endlich zu meistern.  Man will Fortschritte machen, man belohnt werden, man will es schaffen. Nun, Ihre Webseite ist zwar kein Spiel, aber versuchen Sie Wege zu finden Motivationskonzepte umzusetzen. Machen Sie Fortschritte (beispielsweise durch einen Bestellprozess hindurch) grafisch sichtbar, geben Sie Ihren Nutzer die Möglichkeit sich Ziele zu setzen, fordern und belohnen Sie sie. Halten Sie Ihre Nutzer beschäftigt und motiviert, dann werden sie auch gerne Ihre Webseite nutzen.

Fazit

Menschen als soziale Tiere zu bezeichnen ist durchaus treffend. Sie suchen stets nach der soziale Interaktion und reagieren auf animalische Reize wie Nahrung, Paarung und Gefahr. Ganz so wie es die Steinzeitmenschen getan haben. Darüber hinaus sind  Menschen leicht zu beeinflussen, da ein Großteil ihrer Entscheidungen unbewusst getroffen werden. Wenn man unsicher ist, orientiert man sich an anderen und wird zu Handlungen verleitet, die man ohne fremdes Zutun vielleicht gar nicht getan hätte.

Was man aus solchen fest verankerten Verhaltensmustern lernen kann, ist für die Erstellung eines User-Interfaces für eine Webseite viel wert. Berücksichtigt man diese Grundsätze, wird das positive Effekte auf Ihrer Webseite haben. Ihr Internetauftritt oder Ihre Web-Applikation wird von einer breiteren Masse angenommen, man verweilt länger und die Absprungrate reduziert sich. Gewisse Aufgaben und Prozesse, die die Besucher durchlaufen müssen (Bestellprozess), werden so für die Beteiligten leichter und motivierender und somit seltener abgebrochen.

Mit einfachen Grundlagenwissen darin, wie ein Mensch, sein Gehirn, seine Psyche funktioniert, kann man Maßnahmen schaffen, die das Vertrauen und die Behaglichkeit eines Webseitenbesuchers fördern. Das ist wichtig, da die Meinung zu Ihrer Webseite innerhalb von wenigen Sekunden gebildet wird. Wir haben nur eine Chance. Mit einigen Tricks kann man sogar den Aufmerksamkeitsverlauf seiner Besucher gezielt steuern und diese schneller und sicherer zur gewünschten Zielaktion bringen.

Eine Webseite, die unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht, der wir vertrauen und wo es Spaß macht zu interagieren, weil wir eine individuelle Rückmeldung bekommen und motiviert werden, empfehlen wir auch gerne weiter. Und in Zeiten, wo das soziale Interagieren einfacher und schneller von statten geht als je zuvor, kann man zügig eine gewisse  Bekanntheit schaffen, wenn man seine Sache richtig macht. Daraus resultiert dann eine Zunahme an Besucher und Verkäufen. Und das ist es ja, was wir am Ende des Tages alle wollen.

Im nächsten Teil werde ich die letzten 5 Punkte behandeln:

  • Menschen sind leicht abzulenken
  • Menschen sind von Natur aus faul
  • Jeder hat ein mentales Modell davon im Kopf, wie Dinge funktionieren
  • Menschen machen Fehler
  • Ansehen heißt nicht gleichzeitig auch wahrnehmen

Autor: Markus Härtig